Mittwoch, 25. April 2018

Weihnachtsausstellung von Transparentgemälden

Die Weihnachtsausstellung von Transparentgemälden im großen Saale des Landesausstellungs-parkes ist die Neubelebung einer traditionellen Weihnachtsveranstaltung, die vor 30 Jahren zum festen Bestand der Weihnachtsfreuden gehörte. Damals strömte Jung und Alt zum Uhrsaal im alten Akademiegebäude, um beim Gesang des Domchores eine Stunde frommer Weihe vor den Bildern aus der Weihnachtsgeschichte zu verleben. Was jetzt unter Orgelbegleitung und dem Gesang des Nikolai-Marien-Kirchenchores in dem modernen Saal gezeigt wird, ist nicht minder schön, nur ist das andächtig-genießende Publikum viel weniger zahlreich als früher. Das ist doppelt bedauerlich, denn einmal bringt diese Darbietung eine weihevolle Note in unser immer mehr mit äußerlichem Glanz sich umhüllendes Weihnachtsfest, zum anderen haben die Künstler doch sich der Mühe der Herstellung unterzogen, um einen Ueberschuß für die Unterstützungskasse des Künstlervereins, die gewiß zu Weihnachten besonders in Anspruch genommen ist, zu erlangen.
    Es werden sieben Bilder vorgeführt. Auf Karl Wendlings etwas konventionelle „Verkündigung“ folgt „Die Geburt Jesu“ von Otto H. Engel, eine wundervoll geschlossene Komposition, die den Vorgang im Stall zu Bethlehem in schlichter, inniger Auffassung wie durchaus selbstverständlich als einen Vorgang unserer Zeit darstellt. Die liebreizenden Kinder- und Engelgruppen eroberten sich im Sturm die Herzen der kindlichen Betrachter. Weiter folgen die überlebensgroßen „Verkündigung an die Hirten“ von Arthur Kampf und die farbenprächtigen „Weisen aus dem Morgenlande“ von Max Koch. Von den beiden Bildern der „Flucht nach Egypten“ zeichnet sich das von Ernst Körner durch wundervolle Farben und einen seltenen Liebreiz von Mutter und Kind aus, während auf der „Ruheszene“ von Franz Müller-Münster Maria mit dem Kinde und den lauschenden Engeln eine sehr anmutige Gruppe bildet. Das letzte Bild von Haus Meyer bringt einen Zug naiven Humors in dem derben Riesen Christophorus, der zum Vergnügen aller Kinder das Christkindlein auf seinem breiten Hutrand durchs Wasser trägt. Die als Begleitung gesungenen Musikstücke waren außer einem Choral von Bach, einem Chor von Mozart und einem Doppelquartett aus Mendelssohns „Elias“ Kompositionen nach alten Melodien von Professor Theodor Krause, die sich sehr stimmungsvoll dem Inhalte der Bilder anschmiegen.
Anonym, „Die Weihnachtsausstellung von Transparentgemälden“, in: Berliner Tageblatt, 34. Jg.,
Nr. 632, 12. Dezember 1905, Abend-Ausgabe, S. 2