Mittwoch, 25. März 2020

Vom Ballfest des Künstlervereins.

  Carl Koch, Das Winterfest des Vereins Berliner Künstler, Holzstich nach einer Originalzeichnung
  von ihm selbst. Doppelseitig in: Illustrirte Zeitung, 84. Bd., Nr. 2179, 4. April 1885, S. 326-327.

R. S.: Vom Ballfest des Künstlervereins.
   Als ich heute zu einer Morgenstunde, welche mich als andauernden Ballvater beglaubigte, von Kroll heimzog, im stillen Frieden des Thiergartens die ausgetrommelten Nerven beschwichtigte, vom winterlichen Nordost die heiße Stirne kühlen und im Halbdunkel die vom elektrischen Glühlicht gereizten Augen eine wohlverdiente Ruhe genießen ließ, da erwog ich im sinnenden Gemüth, welche charakteristischen Merkmale ich in dem Beobachtungsprotokoll über das Ballgestirn zu verzeichnen habe, das unter dem Namen Künstlerfest seine Bahn durchmessend, am nächtlichen Horizont zwischen gestern und heute wieder nach Jahresfrist aufgegangen war. Welches Verhältniß bestand zwischen der Formerscheinung der voraus gegangenen Künstlerfeste und des jüngsten? Es will mich bedünken, das Gestirn habe noch nie so klar und leuchtend gefunkelt, als von feinem Aufgange bis zum Verschwinden das gestrige; es leuchtete so silberhell, wie der klare Vollmond am blauen Himmel, und diesem Glanz gegenüber erschienen mir die früheren Erscheinungen nur, wie der Viertel- oder Halbmond, wobei ich bemerke, daß ich den mit Ausschluß der Weiblichkeit stattgefundenen, obwohl mitunter recht heiteren Künstlerfesten bei diesem Bilde beim besten Willen nicht mehr als die Sichel des Viertelmondes zubilligen kann. Alle günstigen Bedingungen schienen vereinigt zu fein, um jede Trübung des Glanzes zu verhindern. Zu der ersten Gunst gehörte das prächtige, farbenprunkende, neue Festgewand der Innenräume des Krollschen Etablissements. Welches Wunderwerk der Metamorphose hatten hier binnen wenigen Tagen emsig schaffende Malerhände und Dekorateurkünste gethan! Wandverzierungen im pompejanischen Stil, farbenvolle Darstellungen von antiken Bauwerken und eine üppige Dekoration von exotischen Pflanzen hatten den Eingangssaal zu einem heiteren Palastraum umgewandelt; der Rittersaal glich mit seinen prachtvollen Tapetenmalereien, plastischen Kolossalgruppen, mit den aus Rüstungen, Waffen und Trophäen bestehenden Dekorations-Aufbauten und den genialen Fries-Darstellungen einer mittelalterlichen Prunkhalle. Die herrlichen Jagdgruppen von Mühlenbruch und die burschikosen Zecherstudien von Max Koch verdienen wirklich eine künstlerische Würdigung, nicht minder die prächtigen Kolossalskulpturen eines hoch zu Rosse die Lanze einlegenden Ritters und die am Felsen angeschmiedete und vom Drachenungethüm bewachte Andromeda, welche die Nischen zierten. Mit seinem imposanten, von herrlichen Frauengestalten geschmückten Estradealtan und der glänzenden Damen- und Herrengesellschaft in dem Parquetraum, mit dem blendenden elektrischen Lichtglanz, sowie der prachtvollen Pflanzendekoration gewährte der mächtige Königssaal einen wahrhaft sinnberückenden Eindruck.
   Ja, diese Festgesellschaft! Soll ich wirklich mich aufs Neue an dem doch stets gleich aussichtslosen Versuch abmühen, durch Wortschilderungen den Reiz der vielfältigsten Frauenindividualitäten mit den in echt künstlerischem Geschmack komponirten Toiletten und die Charaktererscheinung einer distinguirten hauptstädtischen Gesellschaft zu Bewußtsein und Anschauung zu tragen? Wahrlich, kein Wort darüber! (...) [Alles Weitere nur darüber.]
Beginn des Berichtes in: Berliner Tageblatt, 14. Jg., Nr. 128, 11. März 1885, Abend-Ausgabe, S. 1.

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