Dienstag, 2. November 2021

Ausstellung - Kunstsalon Fritz Gurlitt, Berlin 1892 Besprechung der Norddeutschen Allgemeine Zeitung

   "Was Prof. Max Koch auf dem Gebiete dekorativer Wandmalerei geleistet, ist von der baukünstlerischen Physiognomie Berlins untrennbar und auch die drei Panoramen des Malers: Pergamon, Brand von Rom und Konstantinopel, haben, obgleich tüchtige Kollegen ihn beim Schaffen unterstützten, den Zeitgenossen genugsam bewiesen, daß man hier einer tüchtigen, in sich geschlossenen künstlerischen Kraft gegenüberstand, welche sich über die Grenzen ihres Könnens völlig klar ist und die ihr gestellten Aufgaben, so verschieden diese auch sein mögen, glücklich zu lösen versteht. Daß diese rastlos strebende Künstlerindividualität noch nicht ihr letztes Wort gesprochen hat, war Jedem klar, der ihr Werden beobachtete. Koch's unermüdliches Studium der Natur in ihren wechselnden Formen und Beleuchtungen, welches er auch einen Schülern immer von Neuem anempfiehlt, trat zum ersten Mal gesondert in einer Folge von Landschaften hervor, die er vor Jahresfrist im Verein Berliner Künstler ausstellte. Seine breite, kühne und in den Lokaltönen gewissenhaft treue Darstellung unserer Havelseen und ihrer Gelände rings um Potsdam überraschten jeden Besucher; jetzt bei Gurlitt bietet uns Koch eine Serie von längst geschaffenen Landschaften, welchen ein noch intimerer Reiz, eine noch feinere poetische Auffassung eigen ist. Das sind Ausschnitte der Natur, welchen man es anmerkt, daß der Künstler in seinem schwimmenden Atelier die vor ihm liegenden Motive unmittelbar auf die Leinwand übertrug, von der kühlen Morgenluft, die durch das Schilf streift, von der heißen Mittagssonne, in welcher der kühle, schattige Wald so verlockend winkt, ist hier nichts verloren gegangen. Das geheimnißvolle Leben der Natur ist in seiner ganzen Schönheit hier mit Tempera- und Oelfarben wiedergegeben, und daß es die Schönheiten unserer oft so verachteten Mark sind, macht diese Kochschen Landschaften noch ganz besonders werthvoll. Einige dieser waldigen Havelseeufer gleichen im Ton ganz Shampeleer's [Edmond de Schampheleer 1824-1899] vielbewunderten Schilderungen seiner niederländischen Heimath, und dennoch geben sie unsere norddeutsche Ebene treu in jeder Linie und Farbe, so wie wir sie alle an schönen Sommer- und Herbsttagen gesehen haben. Denn glücklicherweise ist Koch den grau in grau gestimmten Regenbildern abgeneigt; er liebt klare Luft und Sonnenschein, er läßt den Wind über das Wasser wehen, daß jeder Segler seine Freude daran hat und legt jenes geheimnißvolle Flimmern des Lichts in das Waldinnere, welches den warmen Sommertag untrüglich ankündet. Während er hier eine aus der Ferne gesehene Regatta auf dem Wannsee schildert und dort den Blick meilenweit über Wasser, Wiesen und Wald schweifen läßt, begnügt er sich hier mit einem Einblick in das Gezweig und Blattwerk einer Waldpartie, auch die üppig wuchernde Sonnenblume, das mit buntem Mohn bestandene Beet zieht er in den Kreis seiner Studien, deren echt künstlerische sichere Auffassung mit vollendeter Naturwahrheit, die wie stets anheimelnd poetisch wirkt, Hand in Hand geht. [...]."

Anonym (v.?), "Kunst-Nachrichten. (Gurlitt's Kunstausstellung.)", in: Norddeutsche Allgemeine Zeitung, 31. Jg., Nr. 19, 13.01.1892, Morgen-Ausgabe, S. 3f. 

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