Dienstag, 13. September 2016

Der Fischer und Ritter Oluf. Illustrirte Zeitung

In der Illustrirten Zeitung vom 14. Juni 1900, Nr. 2972, S. 883, erschien ein Artikel von "Fd." mit dem Titel "Der Fischer und Ritter Oluf. Gemälde von Max Koch zur Ausschmückung der deutschen Kunstgewerbe-Abtheilung der pariser Weltausstellung." Der Artikel ist mit den beiden Abbildungen oben illustriert und im folgenden vollständig wiedergegeben:

Der Fischer und Ritter Oluf. Gemälde von Max Koch zur Ausschmückung der deutschen Kunstgewerbe-Abtheilung der pariser Weltausstellung.
    Nicht nur das in der vorigen Nummer wiedergegebene stattliche Mosaik hat Max Koch für die Abtheilung des deutschen Kunstgewerbes auf der Weltausstellung zu Paris geschaffen, sondern er hat deren Räume überdies noch mit zwei Lünettenbildern poetischen Inhalts geschmückt, die wir heute dem Leser vorführen. In etwa lebensgroßem Maßstab gehalten, fügen sie sich als oberer Abschluß in zwei durch Bogenstellungen gegliederte Wände des Treppenhauses ein, das im übrigen wesentlich plastisch verziert ist und durch ein farbiges Glasfenster von Lüthé [?] in Frankfurt a. M. ein mild gedämpftes Licht erhält. Sie stumpfe, den spiegelnden Firnisglanz vermeidende Oelmalerei, in der sie ausgeführt sind, steigert im Verein mit einer Behandlung, die auf allzu detaillirende Modellirung verzichtet und dafür durch flächenhaft aufgetragene starke Lokalfarben wirkt, den decorativen Eindruck der je 4,50 Mtr. breiten Compositionen, ihre Umrahmung besteht in einem ausgezeichneten, vom Bildhauer Riegelmann in Berlin stammenden Holzschnitzwerk, das sich in modernisierten romanischen Formen bewegt.
   Die Vorwürfe der beiden Darstellungen durfte der Künstler sich selbst wählen. Daß er dabei von heimischer Art und Empfindungsweise zu reden und doch auch wieder jedem fremden Auge sich verständlich zu machen habe, stand für ihn fest, und so griff er in den Kreis der Motive deutscher Märchen- und Sagendichtung, durch deren feinsinnige Bearbeitung sich einst Moritz Schwind seinen Ruhm erwarb. „Der Fischer“, der von den geheimnißvoll lockenden Geistern der kühlen Flut umstrickt und in die Tiefe gezogen wird, und der „Ritter Oluf“, den in dunkelnder Stunde bei seinem Ritt durch grünes Land die aus wallenden Nebeln verführerisch und verderbenbringend auftauchenden Elfen umgaukeln, sind Gebilde alter germanischer Naturanschauung, wie sie in der nordischen Poesie überall sich zum Ausdruck bringt. Durch Herder´s Nachdichtung der dänischen Ballade vom „Herrn Oluf“, der vor Erlkönigs Tochter flieht und von ihrem Fluch verfolgt wird, und durch Goethe´s balladenartiges Lied von dem „Fischer“, der in die Arme des feuchten Weibes hinabgleitet, haben sie die dichterische Ausgestaltung erfahren, an die nun auch der in Formen und Farben darstellende Künstler so anzuknüpfen vermag, wie es Max Koch in seinen beiden Bildern gethan hat. Aus den Dichtungen hervorgewachsen, die sie malerisch illustriren, bedürfen sie keiner Erläuterung ihres Inhalts. Was sie aussprechen wollen, versteht auch der sehr leicht, der diese Dichtungen etwa nicht kennt, und vor allem empfindet ein jeder Beschauer sofort, wie der romantische Grundton der beiden Motive den Maler um so mehr zur Darstellung reizen mußte, als sie ihm zugleich die künstlerisch dankbare Gelegenheit boten, im Rahmen einer eigenartigen landschaftlichen Stimmung mit mehr oder weniger realen Gestalten den Reiz frei sich enthüllender, anmuthvoll bewegter weiblicher Schönheit zu verbinden.
   Sind diese beiden Schmuckstücke der pariser Ausstellung für die künstlerische Eigenart ihres Schöpfers gewiß mehr oder weniger bezeichnend, so geben sie doch andererseits auch nicht entfernt nur eine Vorstellung von den an Inhalt und Umfang gleichweit sich erstreckenden Gebieten, auf denen Koch im Verlauf der beiden letzten Jahrzehnte als einer der begabtesten und fruchtbarsten Vertreter decorativer Malerei sich bethätigt hat. Am 24. November 1859 zu Berlin als zweiter Sohn des Malers Karl Koch geboren, darf er die künstlerische Begabung als eine Mitgift der Familie betrachten, der er entstammt. Seinen ebenso anspruchslos wie mit ehrlichem Ernst unermüdlich schaffenden Vater ist in der Geschichte des deutschen Illustrationswesens ein rühmliches Gedenken dauernd gesichert; sein älterer Bruder Georg erfreut sich einer geachteten Stellung unter den Malern des Sports und des militärischen Genres. Er selbst aber, der aus der Werkstatt mit ihrem Handwerksbetrieb 1875 in die Unterrichtsanstalt des berliner Kunstgewerbe-Museums eintrat, um sich dort unter Ewald, Schaller und Meurer künstlerisch fortzubilden und nach Studienreisen, die ihn nach Italien und nach Paris führten, schon 1883 an derselben Anstalt als Lehrer des Actmalens und der decorativen Composition berufen zu werden, hat sich seitdem nicht bloß als ein ausübender Meister von geradezu erstaunlicher Productivität, sondern auch bis zum Jahre 1896 in dem er auf seine Lehrthätigkeit verzichtete und diese seinem einstigen Schüler Max Seliger abtrat, als ein stets lebendig anregender und dabei die handwerklichen Bedingungen jedes künstlerischen Schaffens mit starkem Nachdruck betonender Führer jüngerer Kräfte erwiesen.
   Die Goldene Medaille der berliner Kunstausstellung erwarb Max Koch sich gelegentlich einmal durch einige kleinere Staffeleibilder; sein Ruf aber gründet sich vor allem auf eine kaum übersehbare Reihe decorativer Malereien von theilweise kolossalem Umfang. Verstreut sind sie über öffentliche und private Gebäude der verschiedenen Städte. Sie schmücken die Theater in Frankfurt, Halle und Bromberg, den Lesesaal des berliner Reichstagsgebäudes, die Festsäle des Reichsgerichts und der Buchhändlerbörse zu Leipzig, das Rathaus zu Lübeck und den Rathsweinkeller zu Kiel, die großen Bierpaläste der Reichshauptstadt und dieses und jenes Patricierhaus, und dazu gesellen sich dann schließlich noch die großen, in Berlin zur Ausstellung gelangten Panoramen, die das alte Pergamon, den Brand Roms, das farbige strahlende Konstantinopel und die vernichtend hereinbrechende Sintflut schildern. Ist es schon unmöglich, auch nur von den hervorragendsten aller diese Arbeiten hier zu berichten, so schließt es sich völlig aus, daneben noch die Menge kleinerer decorativer Entwürfe des Künstlers namhaft zu machen, die in farbigen Glasfenstern, in Fächermalereien, in Diplomen und Buchverzierungen, in bemalten Musikinstrumenten und noch mancherlei anderen Dingen ihre Ausführung fanden. Gleichsam in jedem Sattel festsitzend und dabei mit einer unvergleichlichen Arbeitskraft begabt, hat Koch einer jeden Aufgabe, die an ihn herantrat, in seiner Art gerecht zu werden gewußt. Nach den wechselnden künstlerischen Moden der Zeit hat er dabei nur wenig gefragt, und niemals hat er sich irgendwie von Cocerien abhängig gemacht oder eine lärmende Reclame für sich in Scene gesetzt. Seine künstlerischen Erfolge hat er ebenso durch sich selber errungen wie die dankbare Werthschätzung, deren er sich als Lehrer in einem heute weitverbreiteten Kreise einstiger Schüler seines Ateliers erfreut, und rühmen darf er sich, daß auch das, was neben ihm jüngere Meister, wie Gußmann und Männchen, Wittich und Böhland, zum Schmuck der pariser Weltausstellung schufen, fast ausnahmslos von Malern stammt, die unter seiner Leitung sich künstlerisch entwickelten. Fd.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen