Montag, 13. September 2021

Prachtalbum - Der Rheintöchter-Flügel in der Berliner Gewerbeausstellung 1896 (Rheingold-Flügel)

   „125 Aussteller repräsentiren die Berliner Musikinstrumenten-Industrie, die alten Datums ist und schon im vergangenen Jahrhundert durch ihre sauberen und sorgfältigen Arbeiten die Aufmerksamkeit des Auslandes erregte. Wurden beispielsweise Blasinstrumente bereits seit langem in hoher Vollendung geliefert, so liess dafür die Herstellung von Pianos viel zu wünschen übrig und sie wurden meist nach Berlin von auswärts, von Dresden und Wien, eingeführt. Auch bis zur Mitte unseres Jahrhunderts behauptete der Wiener Instrumentenbau seine Oberherrschaft über den Berliner, bis sich fast unversehens ein völliger Umschwung vollzog und die Berliner Klaviere sich dem Weltmarkt eroberten. Das war in erster Linie einem Manne zu verdanken, Carl Bechstein, der mit kleinen Anfängen 1856 seine Firma gegründet, sie aber durch eigene Thatkraft und durch kluge Erfindung ausgezeichneter Verbesserungen und geschickte Anwendung derselben schnell zu grosser Blüthe brachte und 1862 bereits, wo ihm auf der Londoner Industrie-Ausstellung der erste Preis zuertheilt wurde und er hierdurch die Augen der gefeiertsten Musiker auf sich lenkte, an 150 Arbeiter beschäftigte, die jährlich 400 Instrumente fertigen, von denen fast die Hälfte bereits ins Ausland ging. Seitdem hat sich der Weltruf der Firma stets befestigt, heute gehen jährlich aus der Fabrik, die über 500 Arbeitern sicheren und reichlichen Unterhalt gewährt, 3000 Instrumente hervor, die den Ruhm der jetzt 4000 Arbeiter beschäftigenden Berliner Instrumenten-Industrie, der durch viele andere klangvoll Firmen unterstützt wird, über die ganze Welt verbreiten.
   Der Firma Bechstein war denn auch naturgemäss in der Musik-Abtheilung der Ehrenplatz eingeräumt worden und zwar in der den hauptsächlichsten Musiksaal abschliessenden Rotunde, wo auf einem Podium etwa zwanzig verschiedene Instrumente, welche ein Bild der gesammten Fabrikation der Firma geben, die sich auch nach dem Geschmack einzelner ausserdeutscher Länder richtet, Aufstellung fanden. Drei davon bilden die Prunk- und Paradestücke, unter ihnen wieder nimmt ein Gold in Weiss gehaltener prachtvoller Flügel die erste Stelle ein, er ist nach dem Entwurf Professor Max Koch's, der auch die Malereien übernommen, gearbeitet und von E. Taubert mit meisterhaften Holzschnitzereien, die uns aus Wagner's, „Rheingold“ die von Alberich verfolgten Rheintöchter vorführen, geschmückt worden, reiche Bronzeverzierungen verstärken noch mehr den prunkenden Eindruck. Die beiden anderen Flügel sind in Nussbaum gefertigt, der eine in Grün und Gold, der andere in Rococo-Formen von Professor Max Koch, von dem die Zeichnungen zu ihm herrühren, bemalt. Unter den übrigen Bechstein'schen Instrumenten erregen die für die englischen Kolonien bestimmten specielles Interesse; sie sind aus starkem Holz gearbeitet, um dem Tropen-Klima stand zu halten, und in allen Theilen verschraubt, um sich nicht bei der grossen Feuchtigkeit aufzulösen; selbst an einem japanischen Pianino mangelt es nicht, es ist mit in Elfenbein geschnitzten Chrysantemums geschmückt.“
 
Pracht-Album Photographischer Aufnahmen der Berliner Gewerbe-Ausstellung 1896, The Werner Company, Berlin, o.J., Text von Paul Lindenberg. Die Abbildung oben ist ein Ausschnitt einer Abbldung auf S. 99 unten, der Text zu Bechstein steht auf S.106 und S. 110.
 
Der ungewöhliche Klavierhocker vor dem Flügel könnte auch ein Entwurf von Max Koch sein.

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