Samstag, 3. Februar 2018

Ein Weihnachtsgeschenk für unsere Leserinnen.

"Ein Fächer von Max Koch. (Zu unserer Kunstbeilage zw. S. 480 u. 481.)
Es muß eine lustige Zeit gewesen sein, die alte Rokokozeit, so lehren uns wenigstens die damaligen Kunsterzeugnisse, wenn auch die Geschichte in anderen Tönen redet, Genial erfundene Ornamente, Ranken, Blumengewirr, fröhliches Girren und Schwirren aller möglichen und unmöglichen Tiere lacht uns an allen Ecken und Enden entgegen. Wem steigt nicht beim Anblick der Kunstwerke jener Zeit der Gedanke auf, daß damals Natur und Menschen so ganz anders gewesen seien, wie heute. Der Himmel so pinkertblau, die Bäume so blaugrün, dazwischen die schäkernden, tanzenden, springenden, süßlichen Figürchen, die uns glauben machen könnten, daß das damalige Menschengeschlecht zum Ballet gehört habe. Nun, es wird zu Urgroßvaters Zeiten ebenso gewesen sein, wie heute, nur daß der Geschmack sich mehr zum süßlichen, höfischen hinneigte. Der geniale Zug, die prächtig erfundenen Ornamente haben ihren Reiz bis heute behalten und machen das Rokoko zum gern gesehenen Stil unserer Umgebung. Mit den süßlichen Fratzen kann sich freilich unsere kraftstrotzende Jetztzeit nicht recht befreunden. Diesem Zuge folgend, sucht auch die Kunst den Ausgleich zwischen einst und jetzt zu ermöglichen. Max Koch, wohl einer der besten Vertreter ornamentaler Kunst, hat diesen Weg mit Erfolg beschritten. In das leichte, geniale Gerank setzt er frische, lebenswahre Gestalten von Fleisch und Blut; Mark und Bein statt der albernen Schäferfiguren. Blumen und Blätter lehnen sich eng an die Natur an, soweit es natürlich der ornamentale Zug gestattet. Unsere Kunstbeilage zeigt uns eine derartige frei im Rokokostil erfundene Arbeit des Meisters."
Hans Bohrdt, „Ein Fächer von Max Koch“, in: Velhagen & Klasings Neue Monatshefte, Bd. 5, Heft 4, Dezember 1890, S. 575.

Die Kunstbeilage zwischen S. 480 und 481 ist überschrieben mit: „Ein Weihnachtsgeschenk für unsere Leserinnen.“ Die Bildunterschrift lautet: „Auf Seide gemalter Fächer von Max Koch.“ Der Verbleib des originalen Fächers ist unbekannt.

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