Dienstag, 6. Februar 2018

Geschäftshaus in Berlin, Leipziger Straße 109, Drehersche Bierhalle


   "Die bereits rühmlich bekannten Architekten Kayser und v. Großheim haben in der Leipzigerstraße 109 einen Prachtbau aufgeführt, der, soeben vom Gerüst frei gelegt, sein markantes „Gesicht“ in eigenartiger Weise von seiner Umgebung abhebt. Niemand kann vorübergehen, ohne daß ihm die lichte Einfachheit der Façade auffiele, ohne daß das Auge gern auf dem ruhigen Aeußern dieses Baues weilte. Im ersten Augenblick frappirt die in dem Gebäude vorherrschende Verbindung von Stein und Eisen, bald aber ist man an das Originelle gewöhnt und gewinnt dem eigenartigen Bau immer mehr Interesse ab. Was sonst bei modernen Bauten im Centrum der Stadt stört, nämlich, daß die oberen zu Wohnräumen benutzten Stockwerke auf die dünnen Eisenwände der Läden-Einrahmung in ihrer Massigkeit zu drücken scheinen, das ist hier wenig störend durchgeführt, obgleich auch hier der untere Raum Geschäftslocal und der obere Wohnung ist. Wir nahmen Gelegenheit, den Bau, der uns interessirte, weil darin sämmtliche Fortschritte der Bautechnik, sämmtliche Erfahrungen der Neuzeit Verwerthung fanden, wiederholt zu besuchen, und werden nach der am Dienstag stattfindenden Eröffnung des in demselben etablirten Ausschankes Dreherschen Bieres die Details des Baues mitzutheilen in der Lage sein. Für heute sei nur so viel gesagt, daß das Haus im Juli begonnen und Mitte Januar fertig gestellt wurde. Eine Schnelligkeit, die um so bemerkenswerther erscheint, als die Grundmauern auf Caissons ausgeführt werden mußten und von vornherein auf den Hauptzweck, dem der Bau dienen sollte, nämlich auf die Errichtung einer Bierhalle größten Stiles mit ihren vielgestalteten Anforderungen an Maschinerien, Auszügen, Ventilationsanlagen, Heizräumen rc. Rücksicht genommen werden mußte. Die Bierhalle selbst wird im kostbarsten Stile eingerichtet. Schwere dunkle Balkendecken, dunkle Paneele und Möbel werden den Raum zieren. Den höchsten Schmuck werden jedoch Wand- und Deckengemälde bilden. Prof. Karl Lessing und Max Koch malen dieselben al fresco. Eine großartige Ansicht von Wien innerhalb einer von zwei lebensgroßen allegorischen Gestalten getragenen Kartusche wird die Bewunderung aller Kenner hervorrufen. Das Bild befindet sich gerade gegenüber dem Eingang zum Local und wird nicht verfehlen, den Eintretenden in Stimmung zu versetzen. Von dem anderen reichen künstlerischen Schmuck sprechen wir, wie gesagt, nach der Eröffnung. Als bemerkenswerth sei noch hervorgehoben, daß der Gast aus der etwas erhöhten ganzen Tiefe des Locals den Blick auf die Leipzigerstraße frei haben wird. Daß die Bierhalle mit elektrischem Licht versehen ist, kann als selbstverständlich gelten. Kosten wurden keine gescheut, um den Raum zu einem angenehmen zu machen, in welchem das helle Drehersche Bier verzapft werden soll. Stellt sich doch der Preis des Baues incl. Grund und Boden auf 1½ Millionen Mark. Man muß füglich erstaunen, welche Summen aufgewendet werden, um dem Kneipbedürfniß der Großstädter entgegenzukommen."
Anonym, "Locales", in:  Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 26, 16. Januar 1887, Morgenausgabe, S. 7

   "Wie wir in der Sonntagsausgabe angedeutet, hat die neue Drehersche Bierhalle in der Leipzigerstraße 109 am Dienstag Abend vor einer außerordentlichen Gesellschaft zum ersten Male ihre Pforten geöffnet. Wir haben auch schon erwähnt, daß die Architekten Kayser und v. Großheim mit diesem Bau ein kleines Meisterstück geliefert haben, und geben nunmehr folgende ausführliche Daten über die neue Bierhalle: Der Bau des ganzen Hauses wurde begonnen Anfang Juli 1886 und hat mithin etwa ein halbes Jahr in Anspruch genommen. Die specielle Bauleitung lag in den Händen des Architekten Tiek. Trotzdem bei der, auf den Ausbau der Restauration entfallenden, äußerst kurzen Zeit die größte Beschleunigung aller Arbeiten geboten war, wurden doch zu den vielen kunstgewerblichen und künstlerischen Arbeiten nur neue Modelle und Entwürfe benutzt. Außerdem wurde auf die Anlage der Heizung, Ventilation, Abwässerung, auf die zeitgemäße Einrichtung des Küchencomplexes, sowie der Vorrathsräume für Bier, Fleisch etc., auf die Ausbildung der Verkehrsmittel die möglichste Sorgfalt verwandt, da die Architekten beabsichtigten, ein in jeder Beziehung den Ansprüchen des modernen Großstadtpublicums genügendes Werk zu schaffen. Von besonderem Interesse ist zunächst die Restauration, welche zu einer Ausschankstelle des Anton Dreherschen Brauhauses, Kl. Schwechat bei Wien, vorher bestimmt war. Es lag in dem Bestreben der Erbauer, durch einfache Eleganz und möglichst malerische Anordnung der Räume die für solche Locale erforderliche vornehme Behaglichkeit zu erlangen. Durch das Vestibül, welches zugleich für den Verkehr mit dem übrigen Hause und zu den im Keller gelegenen Küchen- und Vorraths-Räumen dient, gelangt man in die Restauration, in deren Inneres wir schon durch das rechts im Vestibül angebrachte unten reich vergitterte Fenster einen Einblick gewinnt. Der Eingang befindet sich an einer Stelle des Innenraumes, von wo sich dem Eintretenden ein Durchblick durch die drei in verschiedener Höhenlage und Deckenausbildung combinirten Abtheilungen des Locals in ihrer Gesammttiefe darbietet. Als Fußbodenbelag ist im ganzen Locale rother Terrazzo von Odorico zur Anwendung gekommen, über welchem sich durchgehends an allen Wänden ein 2,50 m hohes eichenes Paneel aus der Werkstatt Max Schulz u. Co. in dunkler Färbung erhebt. Der darüber befindliche Theil der Wände ist, der Vermeidung von Staub wegen, von einer Stoffbekleidung völlig frei geblieben und im Naturton des Mörtelputzes gelassen, welcher auch den Malereien direct als Untergrund dient. Im vordersten Raum befindet sich rechts eine Ansicht von Wien, gemalt von Otto Lessing, die übrigen Malereien sind von Max Koch. Die um 2 Stufen erhöhte geräumige Fensternische ist durch eine Balustrade vom übrigen Raum abgetrennt. Die breiten Leibungen sind mit den Figuren der Austria und Borussia auf Majolikafliesen geschmückt, während die große Fensteröffnung ohne Glasmalerei geblieben und mit einer (im Sommer in den Keller zu versenkenden Spiegelscheibe versehen ist, welche auch den tiefer im Locale Sitzenden einen Blick auf das Straßenleben ermöglichen soll. Die Decke dieses ersten Raumes ist als dunkle Cassetten-Holzdecke, mit goldenen Rosetten und Knöpfen geschmückt, versehen. Auf die Höhe des hinteren Locales, welche durch eine Balustrade mit Marmorsockel und Deckplatte und Messingdocken gegen den tiefer liegenden Theil abgeschlossen ist, gelangt man über eine Treppe von 5 Marmorstufen mit reichem schmiedeeisernen Geländer. Man befindet sich zunächst in dem durch zwei Kreuzgewölbe überdeckten Mittelraum, welcher sein Licht durch ein großes seitliches Rundbogenfenster, nach einem Entwurf von Max Koch von L. Jessel - Berlin in Glasmalerei ausgeführt, empfängt. An der rechtsseitigen Wand sind die allegorischen Büsten von Frohsinn und Ernst, Werke des Bildhauers Kaffsack, angebracht, umgeben von einer an Ort und Stelle in dem frischen Stuck modellirten Umrahmung. Die Gewölbe sind mit in gleicher Weise von Otto Lessing modellirten Stuckornamenten überzogen. Am Buffet, welches sich links im zweiten Joch des Raumes befindet, ist besonders nennenswerth das in reichster schmiedeeiserner Arbeit von Ed. Puls ausgeführte Obergitter der Oeffnung und die in Kupfer getriebene Paneelfüllung aus der Werkstatt Seitz-München. Das Büffet ist mit dem darunter liegenden Anrichte Raum durch Treppe und Aufzüge verbunden, doch ist zur Vermeidung des Aufsteigens der Küchendämpfe ein Abschluß der Küche durch Glaswände mit kleinen Schubfenstern zum Durchreichen vorgesehen. Der hintere geräumige Theil des Locals ist in ähnlicher Weise wie der vorderste ausgebildet. Die Holzdecke wird jedoch in einem der 4 durch Unterzüge entstandenen Theile derselben durch ein farbiges Oberlicht ersetzt. Die Füllungen der übrigen Decke sind im Naturton des Kiehnholzes gelassen und mit schablonirten farbigen Ornamenten künstlerisch belebt. Von den die im hellen Putzton gelassenen Wände bedeckenden Malereien des Malers M. Koch sind, auf den Besitzer der Restauration bezüglich, die Bilder seiner 4 Brauhäuser, zu Michelob bei Saaz in Böhmen, zu Kl. Schwechat bei Wien, zu Boschetto bei Triest und zu Steinbruch bei Budapest zu erwähnen. Allegorien, Wappen, Embleme und dergleichen bilden den Gegenstand der umgebenden und übrigen Malerei. Die drei den einen Unterzug tragenden Stützen sind mit Capitälen, Bändern und Basen von getriebenem Kupfer aus der Werkstatt Fr. Paters-Berlin geschmückt. Die von O.Titel & Wolde ausgeführte Heizung und Ventilation der Restauration wird von dem vorderen Theil des Kellergeschosses aus durch eine Niederdruckdampfheizung und eine vollkommen unabhängig davon angeordnete Ventilations-Anlage mit Ventilator und eigenem Calorifer bewirkt. Die frische Luft wird oberhalb des Daches gewonnen, in den Keller hinabgesogen, gereinigt und nach Erwärmung auf Zimmertemperatur in die Restauration getrieben, wo sie sich oberhalb der Decke vertheilt und durch ein durchbrochenes Unterglied der Decke hinaustritt. Der Abzug der verbrauchten Luft erfolgt durch geheizte Lockschlote, welche eine beständige Lufterneuerung im Locale zulassen. Die Einrichtung der ganzen Küchenanlage ist, den Erfindungen der Neuzeit Rechnung tragend, von O. Titels Kunsttöpferei Actien-Gesellschaft besorgt. Das Bier wird aus dem Hofe durch einen eisernen Krahn in den Bierkeller mit oberer Eiskühlung (nach Ing. Dörrfurt) gesenkt, von dort nach Bedarf auf kleinen Wagen in den Aufzug gefahren und in den oberen Buffetraum gehoben. Die Aufzüge werden alle durch hydraulische Kraft getrieben. Zum Verkehr zwischen den oberen Stockwerken, welche, der günstigen Lage des Hauses entsprechend, ausschließlich der Personalwohnungen im IV. Stock und Dachgeschoß, zu Geschäftsmagazinen eingerichtet sind, dient ein Amerikanischer Aufzug, System Otis, welcher durch Herrn von Adelson hier eingeführt worden ist. Sämmtliches für die Aufzüge erforderliches Wasser wird auf dem Grundstück selbst durch eine 30 m tiefe Pumpe, welche durch einen Gasmotor getrieben wird, gewonnen. Herr Ingenieur Herzberg und die Berlin-Anhaltische Maschinenbau-Actien-Gesellschaft haben die ganze hierzu nöthige maschinelle Anlage eingerichtet, desgleichen die zum Heben der Abwässer in die etwa 2 m höher liegende Kanalisation der Leipzigerstr. Pumpvorrichtung, welche nöthig war, weil die hydraulischen Aufzüge bis unter die um dieses Maß tieferliegende Kellersohle hinabreichen. — Die Einweihungsfeier gestaltete sich zu einer gemüthlichen Kneiperei. Baurath Kyllmanns schwungvolle Rede auf die Verbrüderung Oesterreichs mit Deutschland fand enthusiastische Aufnahme. Das Bier, etwas dunkler als früher eingebraut, mundete vortrefflich. Nennen wir noch die Firma Hasché, welche alle Glaswaaren und Krüge lieferte, und die bekannte Bäckerei von Gartz, die berufen ist, ihr als schmackhaft bekanntes Brod zu liefern, so haben wir Alle erwähnt, die sich um das „Ensemble" verdient gemacht haben. Indessen sei des Vertreters des Hauses Dreher in Berlin, des Herrn Zweig, nicht vergessen, der den Berliner Unternehmungen Drehers mit Geschick und Energie vorsteht, was auch Baurath Kyllmann in seinem Speech unter allgemeiner Zustimmung betonte. Wir zweifeln nicht, daß das Drehersche Bier in Berlin bleibend zu denjenigen Genußmitteln gehören wird, welche man gewohnt ist, zu den zeitweilig unentbehrlichen zu zählen."
Anonym, „Locales“, in: Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 32, 20. Januar 1887, Morgen-Ausgabe, S. 7-8.

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