Mittwoch, 7. Februar 2018

Geschäftshaus in Berlin, Charlottenstr. Ecke Mohrenstr., Bierhalle der Dortmunder Union Brauerei

   "Dem heute stattfindenden öffentlichen Anstich des Dortmunder Unions-Bräus ist, wie gestern bereits mit kurzen Worten angedeutet, ein Ausschank des Bieres vor geladenen Gasten vorausgegangen. Da es sich hier wieder um eine Bierhalle modernster Art handelt, wollen wir dieselbe einer Beschreibung würdigen. Das Gebäude, in welchem sich die Bier-Ausschank-Säle befinden, ist auf dem Grundstück des früheren Hotel Brandenburg nach den Zeichnungen der Architekten Kayser und von Großheim errichtet und wendet seine Hauptfaçade dem schönsten Platze Berlins, dem Gendarmenmarkt, zu. Die Façaden des Hauses zeigen eine ruhig und monumental wirkende Architektur. Die Detailformen derselben lehnen sich in freier Weise der Schlüterschen Bauperiode an, deren schönstes Werk Berlin in dem Königlichen Schloß besitzt. Die beiden unteren Stockwerke, welche, abgesehen von den Räumen der Dortmunder Union-Brauerei, zu Geschäftszwecken vermiethet werden, zeigen Pfeiler aus polirtem Schwedischen Granit in Verbindung mit reich ornamentirten Eisenstützentheilungen und Umrahmungen der Schaufenster. Die oberen Stockwerke sind in Kunstsandstein aus der Fabrik der Herren H. A. L. Schultz u. Co. in Schönweide bei Berlin hergestellt. Derselbe zeigt einen feinen grauen Steinton und erreicht in diesem Fall eine Wirkung, welche echtem Sandstein nahezu gleichkommt. Die Räumlichkeiten, welche die Dortmunder Union-Brauerei inne hat, liegen im Erdgeschoß dieses Neubaues, ziehen sich, einen rechten Winkel bildend, von der Mohrenstraße anfangend durch einen Mittelbau des Hauses bis nach der Charlottenstraße und haben dementsprechend zwei durch hellstrahlende elektrische Bogenlampen ausgezeichnete Straßeneingänge. Die Ausstattung derselben ist, wie zu erwarten, eine in jeder Weise künstlerische, von vornehmem, ruhigem Charakter, welche ihre Wirkung nicht in der Ueberladung sucht. Die straßenwärts gelegenen Räume zeigen Holzdecken von abwechselnd einfacher und reicher Theilung tief braunen Tons in discreter Weise durch Goldzapfen und hohe, gleichfalls dunkelgetönte Paneele an den Wänden. Die Wandflächen zwischen Decke und Paneel erscheinen weißgetüncht und sind an einzelnen Stellen durch leichte farbige Malereien belebt und geschmückt, welche, ein Werk des Malers Max Koch, auf die Wand improvisirt sind, einen wesentlich ornamentalen Charakter bewahren und Bezug auf die Stadt Dortmund und die Dortmunder Union-Brauerei nehmen. Die Mittelräume, gegen die Vorderräume um einige Stufen erhöht und durch Ballustraden abgeschlossen, sind im Gegensatz zu den Holzdecken der Letzteren mit großen, bis aufs Paneel heruntergehenden Kreuzgewölben überspannt, welche in weißem Ton gehalten, schön und reich componirte Stuckverzierungen an den Graten und im Scheitel zeigen. Diese Verzierungen sind durch den Bildhauer Otto Lessing ausgeführt, an Ort und Stelle aus freier Hand gearbeitet. Sie zeigen jene freie und leichte Anmuth, welche dem Barockstil zu Beginn des vorigen Jahrhunderts innewohnte und nur durch die hier angewandte, aufs Meisterhafteste ausgeübte Technik zu erreichen ist. Diese Mittelräume erhalten ihr gedämpftes Licht durch große farbige Fenster, welche die Wandfelder theilweise ersetzen, von den großen Lichthöfen des Grundstücks aus. Um diesen Fenstern eine decorative Wirkung unter Wahrung ihrer Bestimmung als Lichtquelle zu geben, ist deren Fläche durch ornamentale Malereien in leichten und freien Barockformen gedeckt und belebt, welche dem in viereckige Scheiben getheilten und durch Bleifassung verbundenen Glase eingebrannt sind. Der große Buffetraum ist in der Mitte des ganzen Raumes angeordnet, so daß beide Flügel der Restaurationsräume, nach der Mohrenstraße sowohl als nach der Charlottenstraße, übersehen werden können. Die elektrische Beleuchtung der Räume liefern zehn große Bronzekronen zu je 7 Glühlampen. Die Heizung der Restaurationsräume wie des ganzen Hauses erfolgt durch eine von der Firma O. Titel & Wolde gefertigte Dampf-Niederdruckheizung, während die Lüftung des Restaurationslocals durch einen mittelst Gasmotor betriebenen Ventilator bewirkt wird. Derselbe saugt die frische Luft durch einen hohen Schacht aus staubfreier Höhe über Dach an und preßt sie durch Canäle in die Räume des Erdgeschosses. Auf diesem Wege passirt die frische Luft einen Calorifer, mittelst welchem sie bei niedriger Außentemperatur vorgewärmt werden kann. Es ist selbstverständlich, daß die Wirthschaftsräume der Größe der Restaurationsräume entsprechen, und daß sie mit allen jenen neuen und vollkommenen Einrichtungen versehen sind, welche einen raschen Betrieb sichern und die Gewähr leisten, daß Speisen und Getränke den Gästen in vorzüglichster Qualität geboten werden. In unmittelbarem Anschluß an die Restaurationsräume liegen im Erdgeschoß ein Anrichteraum und die große Küche mit allem Zubehör. Im Keller liegen noch eine Reserveküche und ein Spülraum für das unreine Geschirr. Hieran schließen sich große Fleisch- und Vorrathskeller, welche mit massiven Eiskästen ausgestattet sind, und besonders ein großer Bierlagerkeller, welcher durch einen Eisraum in zwei Theile getrennt ist, so daß in dem einen Theil das Bier ungestört lagern kann, während dasjenige aus dem andern Theil ausgeschänkt wird. Das Bier wird direct mittelst Aufzuges nach dem Büffet befördert. Die Ausstattung der übrigen Innenräume des Hauses, der Eingänge, Treppenhäuser, der Bodenlocale und der zu vermiethenden Wohnungen ist in demselben Sinne wie diejenige des Locals der Dortmunder Union-Brauerei erfolgt und durch ruhige Formen und Farben zu einer decorativen Wirkung gebracht, welche ebenso wirkungsvoll wie der Bestimmung des Gebäudes als Geschäftshaus angemessen ist. — Das Bier schmeckt, wie wir schon gestern sagten, ganz vortrefflich. Warum es aber mit 30 Pfennig pro ½ Liter bezahlt werden muß, trotzdem kein Grenzzoll auf demselben liegt, das ist ein Geheimniß für uns."
Anonym, "Locales", in: Berliner Börsen-Zeitung, Nr. 466, 6. Oktober 1887, Morgenausgabe, S. 5-6.

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