Samstag, 19. Dezember 2015

Der Dekorationsmaler und seine Ausbildung.

Nach einem Vortrag, gehalten am 25. Januar 1893 im Verein für Deutsches Kunstgewerbe in Berlin,
von Max Koch.

   In weiteren Kreisen sind über die Ansprüche, welche die Thätigkeit des Dekorationsmalers an seine Fähigkeiten und an seine Ausbildung stellt, noch so viele irrige Meinungen verbreitet, dass ich glaube, es verlohnt sich, einmal die Erfahrungen eines Praktikers und Lehrers zusammenzufassen.
   Dekorationsmaler nenne ich den Maler, welcher die durch die Architektur an der Wand oder der Decke gegebenen Flächen mit Malwerk verziert. Unter Kunst- oder Staffelmaler verstehe ich dagegen den Künstler, welcher das, was seinem Auge oder seiner Phantasie behagt, mittels Farbe und Pinsel auf die Leinwand bringt, seine Arbeit im Goldrahmen auf die Kunstausstellung schickt, wo sie dann von irgend einem Liebhaber gekauft und an einen vorher nicht zu bestimmenden Platz gebracht werden kann. Der Dekorationsmaler, welcher stets darauf angewiesen ist, für einen bestimmten Raum zu arbeiten und denselben in seiner Gesamtwirkung malerisch zu gestalten, wird naturgemäß eine andere Erziehung genießen müssen, als der Staffelmaler. Ich bin als Lehrer am Kunstgewerbemuseum in Berlin sehr oft in der Lage gewesen, von Eltern, welche ihre Söhne in mein Atelier brachten, die verkehrtesten Ansichten über die Art zu hören, wie man ein Dekorationsmaler werden kann.
   Da man keinem Menschen ohne weiteres ansehen kann, ob er das Talent zu einem großen Künstler in sich birgt oder nicht, halte ich es für richtig, jeden jungen Mann, welcher Lust zur Ausübung der Malkunst in sich spürt, sofern er nicht von Geburt mit reichlichen Geldmitteln ausgestattet ist, eine praktische Malerlehre durchmachen zu lassen. Es ist ihm dadurch, sollte er an der Erreichung seiner Ideale scheitern, die Möglichkeit der anständigen, seinen Mitmenschen nützlichen Existenz gesichert. Hat er nun gar die bestimmte Absicht, Dekorationsmaler zu werden, so ist die Stubenmalerlehre durchaus notwendig. Während dieser praktischen Lehrzeit lernt der junge Mann ernsthaft zu arbeiten; das eiserne Muss des Lebens wird ihm sehr viel klarer vor Augen geführt, als in einer Kunstschule oder Akademie, wo immer die Möglichkeit des verfrüht eintretenden Größenwahns näher liegt. Der junge Mann soll in der Lehre auch zum Denken, zur Verstandesarbeit angehalten werden, besonders durch stetes Naturstudium. Er soll in seinen freien Stunden versuchen, das, was ihm in der Natur malenswert erscheint, auf Papier zu bringen. Er soll aber auch seine körperliche Ausbildung nicht vergessen, sondern fleißig die Beweglichkeit seines Leibes üben, damit er dereinst nicht vor den körperlichen Anstrengungen seines Berufes zurückschrecke. Denn es herrscht vielfach die Meinung, dass körperlich schwächliche Knaben, die zu einem Handwerk nicht taugen, zum Dekorationsmaler immer noch ausreichen. Diese Meinung ist irrig; ich kann aus Erfahrung versichern, dass das Malen an der Decke kein Kinderspiel ist.
   Nach dieser Lehrzeit käme dann die theoretische Ausbildung in einer Kunstgewerbeschule an die Reihe. Hier wird es sich zeigen, ob in dem jungen Manne die nötige Begabung steckt, um etwas Höheres in seinem Beruf zu erreichen. Entwickelt er sich gut, so soll man ihn nach Absolvirung der Schule in andere Länder und Städte schicken, wo er durch Sehen hervorragender Meisterwerke dekorativer Kunst Anregung und Begeisterung zur Ausübung eigener Arbeiten schöpfen soll. Wir sind ja speziell in Berlin in der Lage, den Schülern des Kunstgewerbemuseums eine sehr reiche Auswahl von Studienmaterial vorzuführen, welches durch den ersten Leiter unserer Malschule, Herrn Professor Meurer, gesammelt wurde; aber das Sehen an Ort und Stelle, das eigene Studium mustergültiger deutscher, italienischer und französischer Dekorationen großen Stils wird doch immer die lebendigste Anregung bieten, welche kein Schulunterricht ersetzen kann. Der junge Mann wird nun genügend vorgebildet sein, um an eigene Arbeiten, wie sie ihm der Zufall bietet, heranzutreten, oder um sich unter Leitung eines älteren Meisters an der Ausführung größerer Arbeiten beteiligen zu können.
   Zumeist wird ja der Architekt der Besteller oder Vermittler eines dekorativen Auftrages sein. Er giebt dem Maler einen Aufriss der Decke, Wand oder sonstigen architektonischen Form, welche er malerisch zu dekoriren gedenkt, und überlässt ihm nun, seiner Phantasie freien Lauf zu lassen. In diesem letzten Punkt wird in unserer Neuzeit viel gesündigt. Der Architekt, der Bildhauer oder Stuckateur und zuletzt der Maler suchen so viel wie möglich von ihrer Kunst in den Raum hineinzupressen und erreichen dadurch gerade das Gegenteil von dem, was ein gesunder Sinn für schön halten muss.
   Ist der Entwurf genehmigt, so treten an den Maler zwei sehr wichtige Fragen heran, das ist die Dauer der Ausführung und der Kostenpunkt der Arbeit. Hier nun zeigen sich die guten Folgen der praktischen Erziehung. Der gelernte Stubenmaler hat zugesehen, wie lange andere vor ihm an ähnlichen Arbeiten thätig waren, und legt gleich den richtigen Maßstab der Quadratmeterberechnung an die zu bemalende Fläche an. Er weiß auch ungefähr, wieviel Kilo Farben er zu einer so und so großen Fläche verbrauchen wird, welche Unkosten daraus erwachsen, und wo er die Farben am besten und billigsten beziehen kann; er weiß ferner, was an Gerüsten und Nebensachen zu der Arbeit nötig ist, und macht sich und dem Besteller den Abschluss des Auftrages angenehm. Nach der gefertigten Skizze werden Studien und Karton im Atelier hergestellt, und der Maler zieht nun wohl vorbereitet auf sein Gerüst, um sich seines Auftrages zu seinem Ruhme und zu anderer Ergötzen zu entledigen.
   Handelt es sich um wichtige Arbeiten monumentalen Stils, so kommt vorher die Frage in Betracht, welche Technik als die haltbarste zu wählen sei, besonders ob auf Leinwand oder Verputz gemalt werden soll. Bei Fassadenmalereien sind wir ja durch unser Klima überhaupt auf Ausführung in Glasmosaik oder Porzellanplatten angewiesen; bei Innendekorationen ist außer der direkten Wandmalerei auch aufgespannte Leinwand nicht ausgeschlossen. Ich habe auf meinen Reisen mannigfache Studien über diese Frage angestellt und bin zu dem Schluss, gekommen, dass unter allen Umständen Putzmalerei vorzuziehen sei. Schon der Zwang, im gegebenen Raum zu malen, ist für mich maßgebend. Man ist nie im stände, sich im Atelier vollständig in die betreffende Raumwirkung hineinzudenken. Ich erlebte z. B. bei der Ausmalung eines Opernhauses, dass ein Kollege, welcher die figuralen Bilder der Zuschauerraumdecke zu malen hatte (nebenbei gesagt ein Staffelmaler, welcher sich überhaupt nicht auf Rüstbretter wagte), eine drei Meter hohe Figur, auf Leinwand gemalt, probeweise einspannen ließ und, nachdem das Gerüst aus dem Raum entfernt war, mit einem Opernglas nach seinem Bilde suchte. Dasselbe war im Atelier so zart ausgefallen, dass es auf die Entfernung von 60 – 70 Fuß kaum mehr zu entdecken war. Der Maler hat infolge seiner falschen Vorbildung das Bild zweimal malen müssen.
   Die Franzosen malen Dekorativbilder fast immer auf Leinwand, während die italienischen Meister alles auf die Wand malten, und nach meiner Meinung sehr zum Vorteil der dekorativen Kunst. Die Franzosen müssen deshalb auf Leinwand malen, weil ihre Gebäude meist auch im Innern aus Quadern gebaut sind, malen auch schon darum durchweg im Atelier, um ihre Dekorativbilder auf den Salons ausstellen zu können. Ich finde jedoch, dass die Bilder dort meist eine ungünstige Wirkung zwischen den vielen kleineren Staffelbildern machen, und halte die Art, wie z. B. ein Tiepolo seine Raumdekorationen aufzufassen pflegte, für das Richtigere. Die bei den Franzosen beliebte Ölfarbe ist überhaupt die weniger geeignete Technik für Wandmalerei. Erstens glänzen größere Flächen immer so stark, dass der Beschauer nur ein Stück des Bildes klar sehen kann, und dann dunkeln sie mit der Zeit ganz überraschend nach. Die Wasserfarben dagegen geben einen viel helleren, leuchtenderen Farbton her und glänzen nicht, reißen nicht, dunkeln nicht nach und sind bei richtiger Behandlung sogar an Festigkeit der Ölfarbe überlegen. Trotz dieser Vorteile sind die monumentalen Wasserfarben bei den Malern, welche die akademische Laufbahn hinter sich haben, meist unbeliebt, und das liegt hauptsächlich in der Angst vor dem ihnen unbekannten und ja auch technisch etwas schwieriger zu behandelnden Material. Der gelernte Stubenmaler dagegen, welcher sich zu der höchsten Stufe seines Kunsthandwerks heraufgearbeitet hat, kennt keine Furcht vor technischen Schwierigkeiten. Er hat sich von Jugend auf in Leimfarben geübt, hat seine Studien mit Tempera oder Kaseϊnfarben gemalt und kennt die leichter zu erlernende Ölfarbentechnik erst recht. Für ihn giebt es nur den Unterschied der mit Öl oder Terpentin löslichen, also nicht heller auftrocknenden, und der mit Wasser löslichen, d. h. heller auftrocknenden Farben. Er malt in der Technik, die ihm für die Raumwirkung die geeignetste erscheint, weil es für ihn keine Unkenntnis des Materials giebt. Er lacht über die langatmigen Broschüren, welche neuerdings über alle möglichen Maltechniken im Umlauf sind, und macht sich seine Bindemittel zur Not nach dem in seiner Handwerkerlaufbahn erlernten und von ihm ausprobirten Rezepte selbst.
In: Kunstgewerbeblatt, NF 4. Jg., 1893, Heft 7, S. 105-109.

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