Sonntag, 20. Dezember 2015

Theater am Schiffbauerdamm - Deckengemälde im Foyer

Das Schauspiel der Liebe, 1893, Deckengemälde im Foyer des Neuen Theater am Schiffbauerdamm.
Abbildung aus: Egon Hessling, Decorative und monumentale Malereien zeitgenössischer Meister, Leipzig, Verlag von Baumgärtner's Buchhandlung, 1902, Blatt 7, Bildunterschrift: „Plafond aus dem Foyer des Neuen Theater in Berlin. Das Bild ist auf Rabitz-Gipsputz, der mit Wachsfarben grundirt ist, mit Tempera gemalt."
Ein authentischer Titel des Deckengemäldes ist nicht überliefert. Die zentrale Figurengruppe ist aber ein Liebespaar, das in den Himmel hinaufschwebt. Er hält mit seiner rechten Hand eine Fackel empor, deren Qualm ein Aufsteigen der beiden anzeigt. Sie hält mit ihrer rechten Hand ein Schild oder einen Spiegel fest. Die beiden Liebenden haben die Finger der linken Hände zärtlich miteinander verschränkt und beide himmeln sich mit Blicken gegenseitig an. Ihr Weg nach oben in die Wolken ist mit einer Blumengirlande, die Amoretten für sie zusammensetzen, vorbereitet und ganz oben zielt eine Amorette mit Pfeil und Bogen auf die Tauben der Venus, der Göttin der Liebe. Das alles spielt sich aber nur im Theater ab. Am unteren Rand des Gemädes, am Übergang zum Raum der Betrachter, sitzt Thalia, die Muse der Komödie und des Schauspiels, uns sie unterhält mit Apollon auf dem Pegasus einen engen Blickkontakt. Diese Gruppe, vermittelt durch zwei Amoretten bildet die Basis, fast möchte man sagen die Startrampe für das zentrale Schauspiel der Liebe.
Bedroht wird das Schauspiel durch zwei Drachen mit ausgebreiteten Fledermausflügeln und langen Hälsen an den Schmalseiten. Die Drachenköpfe scheinen plastisch ausgeformt, denn aus ihren aufgerissenen Hälsen kommen die Ketten, an denen die Lüster für die Beleuchtung aufgehängt werden können.
Eine weibliche Figur, die nur aus der umgekehrten Per- spektive heraus richtig zu sehen ist und die scheinbar unbeteiligt den Rand des Gemäldes mit Pfingstrosen dekoriert, möchte ich wegen ihrer Schmetterlingsflügel als Psyche beschreiben. Das heftig im Wind wehende Tuch beschreibt als eine Art Psy- chogramm den mäandrieren- den Fluss der Gefühle, oder eben deren Wechselhaftigkeit.
In jeden Fall ist diese Figur als Entwurf  sehr gelungen. Das ernste Gesicht, die knie- ende Haltung, das dabei fast beiläufige, eher unbewußte Festhalten des flatternden Tuches und die Konzentration auf den vorsichtig gehaltenen Blütenzweig stehen in einem interessanten und nach Interpretation ru- fendem Kontrast zum dem Liebesschauspiel, das als Normalperspektive das Geschehen im Theater bestimmt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen