Donnerstag, 27. August 2015

Deckengemälde - Festsaal im Reichsgericht Leipzig

Im Festsaal des ehemaligen Reichsgerichts in Leipzig ist das einzige, noch original erhaltene Deckengemälde von Max Koch zu sehen. Das Gebäude wird heute vom Bundesverwaltungsgericht genutzt. Es ist für die Öffentlichkeit nur begrenzt zugänglich und der Festsaal selbst ist nur im Rahmen von Führungen zu besichtigen.
Das zweite noch erhaltene Deckengemälde von Max Koch befindet sich ebenfalls in Leipzig, nur 15 Minuten zu Fuß entfernt, im ehemaligen Hôtel de Pologne. Es befand sich allerdings jahrelang unter Putz, war dadurch nach der Freilegung beschädigt und wurde aufwendig restauriert. Alle anderen großen Deckengemälde von Max Koch wurden im 2. Weltkrieg zerstört. Insofern kommt dem Bild in Reichsgerichtsgebäude eine herausragende Stellung zu. Es ist zudem exemplarisch für das eigentliche Hauptwerk von Max Koch, für seine Dekorationen in den großen Staatsbauten, die Ende des 19. Jahrhunderts vor allem in Berlin entstanden.
Die allegorische Darstellung im Reichsgericht von 1896 zeigt den Einzug Apollons mit den neun Musen in das Reich von Justizia, so zumindest eine zeitgenössische Beschreibung. Links thront zentral in den Wolken eine weibliche Gestalt, die wegen ihres Helms an Athena erinnert, wegen der blonden Haare aber auch auf die bewehrte Germania anspielt. In ihrer Rechten präsentiert sie einen geschnitzten Stab, der einen in einem Buch lesenden Mann zeigt. Dieser Stab soll als Gerichtsstab verstanden werden, als ein altes Zeichen der Gerichtsbarkeit und damit ist diese Figur nicht direkt eine Personifikation der Justitia, sondern eher eine der Gerichtsbarkeit des Deutschen Reiches, eben des Reichsgerichts. Sie wird umgeben von Figuren, die die klassischen Attribute der Gerechtigkeit präsentieren. Eine Amorette trägt das strafende Schwert, eine als Justitia zu benennende Frau mit verbundenen Augen zeigt die ausgleichende Waage. Eine weitere Frau zeigt wohl eine Trense mit Zügeln, was sie als Personifikation der Mäßigung ausweist und rechts eine Personifikation der Barmherzigkeit, mit Schriftrollen und einem Blumenzweig. Neben dem Thron kauert eine Sphinx mit Löwenkopf, die auf die Stärke des Gerichts, aber auch auf das schwierige Rätsel der Wahrheitsfindung für die Gerechtigkeit hindeutet. Unterhalb des Throns spielen Amoretten mit den Gesetzbüchern.
Das linke Drittel des Bildes beschreibt also das "Reich der Justizia" und in diesen, farblich etwas tristen Bereich, prescht nun Apollon mit seinem von vier Pferden gezogenen Streitwagen hinein, als Zentrum des Lichts und der Farben, als Gott der Schönheit und der Künste. Das Vorbild für dieses Motiv befindet sich in Würzburg und wurde von Tiepolo gemalt:
Max Koch hat die Malereien von Tiepolo in der Residenz Würzburg als junger Mann genau studiert und auch abgezeichnet. Dieser Höhepunkt der barocken Dekorationskunst muss ihn fürs Leben geprägt haben und das Bild im Reichsgericht ist eine Verbeugung vor seinem großen Meister.
Von den angekündigten neun Musen sind nur einige dargestellt. Identifizieren kann man am unteren Rand Melpomene mit Weinlaubkranz und Keule, in der rechten unteren Ecke Erato mit einem Saiteninstrument (Laute), und die eigentliche Hauptfigur am rechten Rand, Thalia, die Muse der Kommödie mit der lachenden Maske an ihrer Seite. Sie ist die eigentliche Opposition zum Gericht im linken Bereich des Bildes.
Apollon im Hintergrund spielt nur selbstverliebt auf der Leier, und sein Blick ist in höhere Sphären gerichtet. Thalia aber, die das Gericht mit ihrem Blick fixiert - und der Blick wird mit Aufmerksamkeit erwidert - führt die entscheidende Handlung des Bildes aus: Sie hält dem Gericht eine kleine Maske entgegen, wobei sie sich leicht abwendet. Zwischen diesen beiden Frauenfiguren lässt Max Koch es knistern. Da kommt von rechts doch glatt der Vorwurf an das hohe Gericht, alles sei nur Theater und Gerechtigkeit eine Kommödie.
Geschützt durch Apollon, im Rahmen der Freiheit der Kunst, kann sie so etwas machen. Wir aber wissen um das ganz oben schwebende Schwert der Strafe, und deshalb stehen wir vor Gericht auf, "Wenn´s der Wahrheitsfindung dient."

S/W-Abbildung der Decke oben aus:  Egon Hessling, Decorative und monumentale Malereien, Baumgärtner's Buchandlung, Leipzig, 1902, Blatt 8.

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